Ich schreibe diesen Text auf deutsch, weil es um einen klassischen deutschen Satz geht: „Wenn’s Dir hier nicht gefällt, kannst Du ja gehen”. Warum klassisch? Es ist ein Satz der immer wieder fällt, wenn sogenannte Bio-Deutsche mit sogenannten Neu-Deutschen streiten.

Bio-Deutsch, Neu-Deutsch: Das sind Begriffe, die es in meiner Jugend nicht gab. Bio-Deutsch bezeichnet „biologische” Deutsche, also von ihrer Abstammung her Deutsch. Neu-Deutsche sind zugewanderte, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, aber zugewandert sind – oder zumindest deren Eltern, oder Grosseltern. B

io-Deutsche und Neu-Deutsche also streiten zuweilen, und dann kommt es vor dass ein Bio-Deutscher einem Neu-Deutschen sagt: „Wenn’s Dir hier nicht gefällt, kannst Du ja gehen”.

Oftmals ist der Satz dann an jemanden addressiert, der (oder die) in dritter Generation in Deutschland lebt, dort geboren ist, dessen (oder deren) Muttersprache mehr oder minder Deutsch ist. Wenn – um ein Beispiel zu nehmen – ein solcher Deutschtürker dritter Generation diesen Satz hört, kann die Reaktion eigentlich nur ratloses Schulterzucken sein: Weggehen? Wohin? Ich bin Deutsch. Ich bin hier geboren. Ich bin hier zuhause. Das hier ist meine Heimat.

Der Satz ist im öffentlichen Diskurs eindeutig konnotiert als rassistisch, ausgrenzend, intolerant. Die meisten Deutschen erkennen das sofort, wenn sie solche Worte hören oder sehen (vorzugsweise in den Sozialen Medien).

Neuerdings fällt dieser Satz immer öfter, wenn deutsche und sonstige westeuropäische Politiker über „Osteuropäer” sprechen. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte machte den Anfang: „Es ist jetzt meine Absicht, Ungarn in die Knie zu zwingen. Es muss einsehen, dass es entweder Mitglied der Europäischen Union ist und damit ein Mitglied einer Gemeinschaft geteilter Werte, oder es muss raus”, sagte er am 24. Juni in Brüssel, als Reaktion auf Ungarns neues Pädophilie-Gesetz.

CSU-Politiker und EVP-Fraktionschef Manfred Weber brachte seinerseits kürzlich einen EU-Austritt Polens ins Spiel, anlässlich der von Brüssel als inakzeptabel kritisierten polnischen Justizreform.

Und dann forderte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn ein Referendum über Ungarns EU-Mitgliedschaft – denn er sei überzeugt, dass die Mehrheit der Europäer Ungarn nicht mehr in der EU haben wollen. Billige Worte – die EU kann keine Referenden ansetzen. Aber zur Stimmungsmache sind solche giftige Worte geeignet.

Seit Jahren herrscht in den Medien und in der westeuropäischen Politik eine aufgeheizte Grundstimmung im Diskurs über die „Osteuropäer”. Das hat dazu geführt, dass heutzutage unter fast jedem Artikel in den Medien über Ungarn oder Polen in den Leserkommentaren Sätze auftauchen wie „Ungarn raus aus der EU”.

„Wenn’s denen nicht gefällt hier, können sie ja gehen.” Nur, wohin? Europa ist auch für Ungarn und Polen Heimat.

Linke und liberale Westeuropäer reden heute über Ostmitteleuropäer in einem Ton, wie man ihn sonst von rechtsradikalern Ausländerfeinden gewohnt ist, wenn sie über Türken, Muslime oder Juden sprechen. Das kann nicht gut sein für die EU.

Kürzlich debattierte ich mit einem (liberal-konservativen) europäischen Spitzenpolitiker in einer Talk-Show. Er leierte die klassische EU-Mantra herunter: Man muss Ungarn das Geld wegnehmen, man muss strenger werden, die europäischen Grundwerte verteidigen.

Nach der Show, beim Small-Talk, sagte er etwas ganz anderes:

Es sei nicht gut, dass der Westen versuche, dem kulturell denn doch ganz anderen Osten seine Werte überzustülpen.

Und die ganze aktuelle Tendenz in der EU-Debatte, Länder wie Ungarn zu disziplinieren, sei „gefährlich”. Denn es könne eine Dynamik auslösen wie jene, die zum Brexit führte. Auf meine Frage, warum er in der Sendung genau das unterstützt habe, was er jetzt privat für gefährlich hielt, antwortete er nicht. Aber er hat recht. Westeuropas Politiker spielen gegenüber Ostmitteleuropa ein zynisches  und brandgefährliches Spiel, als dessen Folge der Zusammenhalt der EU zerbrechen kann.

Magyarul

Titelbild: magyarnemzet.hu